In den letzten Monaten gab es in den (Sozialen) Medien und Bekanntenkreis viele Diskussionen zu gesellschaftlichen Fragestellungen ob man KI braucht, wofür KI gut ist und ob der Nutzen die Risiken überwiegt oder andersherum.
Ich möchte hier meine Meinung zum Besten geben zu den Fragen:
- Brauchen wir KI? – Volkswirtschaftliche Situation
- KI zur Steigerung der Produktivität
- KI entwickelt sich weiter
- Sollten wir KI (streng) regulieren?
- Teil 2 „Wobei kann KI helfen – eine Sammlung an Beispielen“
Brauchen wir KI – Volkswirtschaftliche Situation
Abnahme der Arbeitskraft
Die volkswirtschaftliche Situation in Deutschland und vielen anderen westlichen Ländern spitzt sich zunehmend zu: der demographische Wandel sorgt dafür, dass wir zunehmend weniger Arbeitskräfte haben pro Einwohner. Warum ist „pro Einwohner“ wichtig? Wenn die Bevölkerung zurückgehen würde, würde auch die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen zurückgehen. Bei uns bleibt die Bevölkerung jedoch relativ konstant, und damit der Bedarf. Genaugenommen steigt der Bedarf sogar in vielen Bereichen wie z.B. der medizinischen Versorgung und der Pflege.

Das heisst: das, was ein Arbeitnehmer erwirtschaftet muss ausreichen, um immer mehr Menschen zu versorgen.
Zunahme der Bürokratie
Gleichzeitig nimmt die Bürokratie in Firmen und Behörden immer mehr zu – zumindest gemäß Umfragen in der Industrie, z.B. einer Emnidstudie von 2015. (Es gibt aber auch andere Stimmen, zum Beispiel bleibt der Bürokratiekostenindex recht konstant).
Weiterhin ist laut Handelsblatt / BDI die Zahl der nötigen Gutachten für Industrieprojekte von 2004: 2 auf 2019: 5-10 gestiegen.
Die Zunahme an Bürokratie ist leider ein natürlicher Prozess, ich habe lange in Projekt- und Prozessmanagement gearbeitet und es dabei auch selbst beobachten können: Es gibt ein etabliertes Vorgehen. Wenn ein Fehler auftritt, werden Regeln erlassen, die diesen Fehler in Zukunft verhindern sollen. Das wird so sogar von gängigen Normen gefordert, z.B: ISO9001 Stichwort „Vorbeugemaßnahmen“. Dadurch wächst die Bürokratie automatischen, wenn man nicht bei jeder neuen Regel eine alte entfernt.

Das heisst: es wird immer mehr Arbeitskraft durch Bürokratie gebunden
Fachkräftemangel
Heute schon ist es so, dass wir einen erheblichen Mangel an Fachkräften haben. Auch gut bezahlende, renommierte Unternehmen in beliebten Branchen brauchen sehr lange um Stellen zu besetzen. Ich möchte hier nicht tiefer eingehen, in der Presse gibt es genug Artikel hierzu.
Fazit: wir brauchen mehr Arbeitskräfte oder mehr Produktivität pro Arbeitskraft
KI zur Steigerung der Produktivität
Als die Wirtschaft im Bereich der Fertigung unter Druck geraten ist, wurde darauf mit Automatisierung und Rationalisierung reagiert. Die gleichen Maßnahmen müssen wir auch jetzt ergreifen, nur nicht mehr auf die Fertigung beschränkt. Die Arbeiten, die durch eine KI erledigt werden können, sollten durch die KI erledigt werden, so, dass die Menschen sich auf die Arbeiten konzentrieren können, die von Menschen gemacht werden muss. Es gibt auch Aufgaben, bei denen der Menschen besser ist und es gibt Aufgaben, bei denen ist die KI besser als der Mensch, z.B. bei der Beherrschung großer Datenmengen oder hochkomplexer Systeme.
Außerdem ist die KI oft viel schneller als ein Mensch. Das heißt, selbst in aufgaben, in denen der Mensch besser ist, kann eine KI zur Effizienzsteigerung beitragen, wenn sie erste grobe Arbeitsergebnisse oder Bausteine erstellt, die der Mensch danach verfeinert.
KI entwickelt sich weiter
Auch muss man berücksichtigen, dass sie die KI immer weiter entwickelt. Eine Aufgabe die heute noch nicht möglich ist, wird nächstes Jahr vielleicht schon möglich sein. Wir müssen hierbei immer „am Ball bleiben“.
Und die Entwicklung wird immer schneller: die technologische Entwicklung ist eine Exponentialfunktion. Schon Moore’s Law stellte dies fest und besagt sinngemäß „Die Rechenkapazität von uC verdoppelt sich alle 12-24 Monate“, was eine quadratische Steigung ist. Die Rechenkapazität ist für KI von zentraler Bedeutung, weil besonders im Deep Learning enorme Datenmenge verarbeitet werden müssen.
Was ist exponentielles Wachstum? Ein Beispiel:
Leider ist es für Menschen sehr schwierig, sich exponentielles Wachstum vorzustellen. Wir unterschätzen die Geschwindigkeit die erreicht wird ganz erheblich.
Es gibt die Legende des indischen Königs Sher Khan bzw. Sissa ibn Dahir zur Erfindung des Schachspiels. Dessen Berater wollte als Belohnung Reis erhalten. Und zwar 1 Korn auf dem ersten Feld eines Schachbretts, 2 auf dem zweiten, 4 auf dem dritten, 8 auf dem vierten – also eine quadratische Steigerung.
Nun die Frage: wie viele Reiskörner liegen auf dem 64ten Feld?

Tipp: höher
Tipp2: noch höher
263 (wir fangen ja bei 20 an) ist 9.223.372.036.854.775.808. Wenn man annimmt, dass ein Kilo Reis 54.000 Körner enthält und, dass die große Pyramide von Gizeh 7,5Mio Tonnen wiegt dann wiegt der Reis auf Feld 64 soviel wie:

22.000 mal die große Pyramide.
Ich denke, das hat jeder unterschätzt…
Kurze historische Beispiele der technologischen Entwicklung:
Im vielen Fällen dauerte es eine Spanne von ca. 60 Jahren, um eine neue Technologie von der Entsteheung bis zum Durchbruch für die breite Masse der Bevölkerung zu bringen:
1907 – Erster ‚längerer‘ Flug überhaupt – für 1e Minute
Erstes Verkehrsflugzeug – Junkers 1919
12 Jahre nach erstem Flug
1969 : Erstflug des Jumbo Jet Boing 747 & Concorde 60 Jahre nach erstem Flug
Zuse Z3 1941
C64, erster Personal Computer, 1982
40 Jahre nach erstem “Computer”
2007 das erste iPhone, 60 Jahre nach erstem „Computer“
1956, die Darthmouth Konferenz gilt als Geburtsstunde der KI
1985 wird das Lernverfahren Backpropagation entwickelt.
2020+, mehrere Durchbrüche in KI mit OpenAI, Stable Diffusion u.a. – 65 Jahre später
Für KI ist dieser „60-Jahre-Zeitpunk“ jetzt.
Fazit: jetzt geht es los.
Nutze die Vorteile, Manage die Risiken, wie wir es vom Change-Management her gewohnt sind.
Abschließen möchte ich mit einem Zitat:
The easy availability of massive pretrained foundation models via API or open source completely changes what it looks like to develop an AI product.
Forbes/Rob Toews, Radical Ventures
Sollten wir KI (streng) regulieren?
Das Thema möchte ich nur ganz kurz anreißen, eigentlich ist es einen eigenen Artikel wert.
Es gibt Stimmen, die aufgrund der Risiken eine strenge Regulierung von KI fordern. Es gibt viele Argumente dafür und dagegen, entscheidend wird die Strenge und die detaillierte Ausgestaltung sein.
Regulierung unterliegt Prisoners‘ Dilemma
Einen Punkt möchte ich aber in das Bewusstsein rufen: nationale und internationale Regulierung ist ein Prisoners‘ Dilemma: wenn alle ähnlich regulieren (und die Regulierung an sich sinnvoll ist), dann ist es zum Wohle aller. Wenn aber einige (streng) regulieren und andere nicht bzw. deutlich weniger, dann haben die streng regulierenden einen doppeltes Problem:
- Sie hängen dem technischen Fortschritt hinterher, nutzen die Vorteile weniger, haben weniger Effizienz, etc.
- Sie haben keine Erfahrung mit den Nachteilen, werden aber trotzdem Ziel der selbigen. Deep-Fakes, Abgreifen fremder IP und KI-unterstütztes Hacking macht ja an der Landesgrenze nicht Stopp….
Weiter zum Artikel Teil 2 „Wobei kann KI helfen – eine Sammlung an Beispielen“
4 Responses
Ich hoffe ich konnte bei meinem Vortrag beim bayme vmb Business Excellence Day Interesse für das Thema wecken, und denen, die schon Interesse hatten, evtl. die eine oder andere neue Inspiration geben!
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